Ruben Heppner: Zwischen Nachbarschaftstreff und WG
»Leerstand wird zusehends kommerzialisiert und privatisiert. Dem wollten wir etwas mit einem zukunftsorientierten Konzept entgegensetzen und Impulse setzen – für einen bunten und lebenswerten Kiez«, heißt es auf der Website von CU.Office, ein Minimal Waste Coworking-Space mitten im Berliner Wedding. Als der Mitgründer und Initiator Ruben Heppner in seinem Wohnhaus während der Coronazeit auf einen leerstehenden Hundesalon aufmerksam wurde, fackelte er nicht lang – und ruft selbst einen Community Space ins Leben.
Mit seinem Hintergrund im Stadt- und Regionalmanagement bringt er einerseits eine Menge Fachwissen mit und sammelte andererseits viel Erfahrung bei der Entwicklung einer Partizipationsplattform an der TU Braunschweig – doch wie funktioniert ein partizipatives Coworking-Konzept in der Praxis und weshalb setzt er auf coapp als Kommunikationstool? Wir haben mal nachgefragt.
Ruben, wie kam es denn überhaupt zu deinem Coworking Space in Berlin?
Anfang 2020 ließ ich meinen Vertrag an der TU Braunschweig auslaufen, weil das Pendeln anstrengend wurde – und im März kam die Pandemie und ich konnte nichts mehr machen. Im Haus meiner Berliner Hinterhofwohnung gab es ein Atelier, das nie genutzt wurde, da sah ich plötzlich ein Schild: »Zu vermieten«. Aus Interesse rief ich einfach mal an – schließlich wohne ich da und wollte wissen, was mit dem Raum passiert. Zufällig handelte es sich um dieselbe Hausverwaltung wie die meiner Wohnung – und weil ich eh auf der Suche nach einer neuen Coworking Räumlichkeit war, ging dann alles ganz schnell: Nach drei Tagen hatten meine Co-Gründerin Anika und ich den Raum. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir aber natürlich noch keine klare Vorstellung davon, wozu er sich entwickeln würde.
Wie ging die Geschichte weiter?
Mit meinem Team habe ich vor Langeweile im Lockdown die 100qm mit eigenem Geld kernsaniert. Es gab nie einen Businessplan oder Fördermittel. Aus heutiger Sicht kurios, aber wir gingen damals wirklich davon aus, dass die Pandemie vielleicht vier Wochen dauern würde. (lacht) Irgendwann hatte ich aber schlaflose Nächte, weil man die Kosten im schlimmsten Fall ja persönlich trägt. Und weil wir diese große Fläche nicht für uns alleine brauchten, machten wir uns Gedanken darüber, was die Bedürfnisse anderer sind.
Während des Lockdowns hat sich das für viele Arbeitnehmer:innen oder Freelancer ja durchaus verändert. Was kam bei dieser Überlegung heraus?
Für uns hat sich herauskristallisiert, dass die Leute einen Mix zwischen Homeoffice und dem halbwegs normalen Büroalltag brauchen. Insgesamt konnten wir sehen, dass sie im Lockdown zwar das Homeoffice zu schätzen gelernt haben, sich aber natürlich auch sozialen Kontakt wünschen und mal das Haus verlassen wollen. Mit unserem Coworking Space haben wir insofern einen Nerv getroffen, als dass wir relativ günstig sind. Für 60 Euro erhältst du eine Mitgliedschaft, so etwas wie Flex oder Fix Desks bieten wir nicht an, daher ist es niedrigschwellig. Wir betrachten uns eher als »Homeoffice Add On«, eine Erweiterung des eigenen Wohnraums.
Ihr schreibt auf eurer Website von »nachhaltigen Lösungen« beim menschlichen Miteinander, was meint ihr damit?
Hier geht es uns um zwei Ansätze: Zum einen richten wir uns nach dem Minimal-Waste-Prinzip. Dieser Impuls kam von meiner Mitgründerin Anika, da sie sich auch beruflich mit dem Thema beschäftigt. Vereinfacht gesagt haben wir nichts Neues gekauft. Einerseits, weil wir eh kein Geld hatten, aber auch, weil wir als Gründer:innen eh diesen Lifestyle fahren. Es war uns wichtig, alle Möbel aus zweiter Hand zu holen. Das Einzige, was wegen der Energieeffizienz neu gekauft wurde, waren Herd und Kühlschrank. Optisch sieht es bei uns eher aus wie eine WG mit zu vielen Schreibtischen, als ein cleanes Ikea-Katalog-Büro. (lacht)
Zweitens haben wir uns als GbR gegründet, losgelöst von der Agentur. Wir definieren uns als nicht profitabel. Es funktioniert zwar als Geschäftsmodell, – wir haben um die 40 Mitglieder, ein paar auch mit einem festen Tisch – und trägt sich auch, wir zahlen beispielsweise einen Privatkredit ab. Aber der non-profit-Ansatz soll bleiben, das Ganze soll später als gemeinnütziger Verein funktionieren, damit es ein selbstverwalteter Ort ist, den Leute selbst gestalten und verwalten können.
Das Vereinsmodell ist eher ungewöhnlich für einen Coworking Space, was versprecht ihr euch davon?
Uns ist wichtig, dass die Idee auch dann noch Bestand hat, wenn wir da nicht mehr wohnen. Unser Ziel ist, mehr solcher Räume zu schaffen. Da kommt ins Spiel, dass ich Stadtentwicklung studiert habe: Wenn du im Kleinen einen Ort schaffst für 40 Leute, in einem Block, wo vielleicht 8000 wohnen, ist das ein Anfang. Wir wollen aufzeigen, dass es nicht so schwierig ist, Räume nachhaltig und sozialunternehmerisch zu bespielen. Spielotheken, Kneipen und Wettbüros haben in den Kiezen eventuell ihre Daseinsberechtigung, aber uns fehlt es konkret an Räumen, die zum Zusammenarbeiten da sind, zum Treffen, zum Ideen besprechen. Es gibt nicht so viele Meetingräume für kleine Organisationen, die kein Geld habe. Unser Projekt zeigt, dass es auch anders geht. Es hat insgesamt ungefähr 15.000 Euro gekostet, die Räume kernzusanieren. Dank des Vereinsgeists tragen alle etwas dazu bei.
Du hast dich viel mit Partizipation auseinandergesetzt. Funktioniert das für euch? Wo ist der Unterschied zu anderen Coworking Spaces?
Ich habe selbst in diversen Coworking Spaces gearbeitet. Viele schreiben die »nice Community« auf die Website, aber nicht immer findet das auch statt. Ich war insgesamt vielleicht in zwei Coworking Spaces, die es meiner Ansicht nach geschafft haben, eine wirkliche Atmosphäre zu schaffen. Das hat auch manchmal mit der Location zu tun. In Städten wir Berlin kann man nicht unbedingt planen, wenn Leute etwa wegziehen müssen oder eh nur für ein paar Monate in der Stadt sind. Für unsere Community haben wir da zum Beispiel einen »Friendship Tarif« eingeführt für alle, die zwar ihren Arbeitsplatz gekündigt haben, aber der Idee treu bleiben.
Was macht Partizipation für dich aus?
Bei Communities, die angewiesen sind auf menschliche Bereitschaft, brauchen die Leute einen Anreiz. Den muss man schaffen und sich kontinuierlich darum bemühen. Aktuell versuchen wir, die Anzahl unserer Mitglieder so weit zu erhöhen, dass wir zumindest eine halbe Stelle finanzieren können. Die soll sich um Community Management kümmern, damit es eine Struktur hat.
Hier kommt auch coapp ins Spiel. Weshalb habt ihr euch dafür entschieden?
Aktuelle stellen wir von der App Cobot auf coapp um. Cobot hat zwar tadellos funktioniert, aber ist eine reine Verwaltungssoftware. Im Sinne der Partizipation war es eher kompliziert, wenn Leute einen tolle Idee hatten, mussten sie damit zum Systemadministrator gehen, was nervt und Zeit kostet. An coapp hat mich überzeugt, dass man auch eigeninitiativ Sachen starten kann. Außerdem kann man mehr Orte miteinander verknüpfen, was super ist, denn in Braunschweig öffnen wir gerade ein weiteres Büro. Technisch gesehen muss vor allem die Abrechnung reibungslos laufen, der Buchhaltungsaspekt ist wichtig. Mit Stripe läuft das glatt. Aber am meisten gefällt mir an coapp, dass es als Partizipationsplattform funktionieren kann.
Als Entwickler verfolge ich auch interessiert die Feature-Requests, die andere User machen, denke aber, dass man ein System gar nicht zu krass aufladen muss, wenn die Kernelemente gut funkionieren.
Im Kern muss eine App ja auch nicht ausnahmslos alle Aufgaben übernehmen können, sondern vor allem das menschliche Miteinander besser organisieren, oder?
Ja, absolut. Es macht natürlich Sinn, Sachen digital zu koordinieren, zu organisieren und zu dokumentieren, aber die Ideen passieren immer im zwischenmenschlichen. Auf einem Konzert, bei einem Event. Dafür ist coapp großartig – es kann Leute mal zusammenbringen. Ich kann Anfragen und Kontakte auf der Plattform sammeln und Leute wiederfinden. Das gefällt mir gut, dass die App Menschen wirklich zusammenbringen will, die sich dann gegenseitig unterstützen können.