Designforum Oberfranken: »Die Plattform erleichtert kollaboratives Arbeiten«
Initiieren, moderieren, realisieren – so sieht das Designforum Oberfranken seine Schwerpunkte. Der gemeinnützige Verein setzt sich dafür ein, neue partizipatorische Projekte in der Region anzustoßen und Design als wirtschaftlichen Faktor zu stärken. Dabei hat sich eine pragmatische Herangehensweise bewährt, wie die Geschäftsführerin Sylvia Endres und die Projektleiterin Alba Mojak erzählen – sei es bei der Förderung kreativer Netzwerke, der Zusammenarbeit mit Unternehmen oder der praxisorientierten Einbindung der Community, zum Beispiel durch coapp.
»Wir haben aktiv nach einer Plattform gesucht, die Vernetzung fördert, anstatt zentral gesteuert zu werden.«
Sylvia und Alba, ihr zeigt mit dem Designforum, dass neben Arbeit und Wohnen auch Third Places wie Cafés oder Kulturorte eine große Rolle für die Lebensqualität spielen.
Sylvia Endres: Diese Orte des Austauschs sind essenziell. Deshalb planen wir regelmäßige Designertreffs – zwanglos, offen für Studierende, Designer und Unternehmer. Sobald der Ausbau fertig ist, bieten wir Räume für kreative Begegnungen.
In digitalen Zeiten gewinnen persönliche Treffen wieder an Wert. Wie erlebt ihr das?
Sylvia Endres: Online-Formate haben in der Pandemie geholfen, aber für kreative Prozesse braucht es echte Begegnungen. Netzwerktreffen ermöglichen Austausch, der über reinen Informationsabgleich hinausgeht.
Ihr zeigt, dass Engagement und Mut viel bewegen können. Wie kommt da coapp ins Spiel?
Alba Mojak: Viele denken bei Community-Management sofort an Social Media. Doch echte Community-Plattformen, die langfristige Vernetzung ermöglichen, gibt es kaum – vor allem im deutschsprachigen Raum. Oft sind bestehende Tools stark auf Event-Management fokussiert, aber eine Community lebt von mehr als nur Veranstaltungen.
Communities agieren oft als Enabler, die Räume, Budgets oder Materialien zur Verfügung stellen, aber die Mitglieder gestalten aktiv mit.
Sylvia Endres: Richtig, wir haben aktiv nach einer Plattform gesucht, die Vernetzung fördert, anstatt zentral gesteuert zu werden. Uns geht es darum, dass die Community sich selbst trägt. Wir setzen Impulse, aber langfristig soll sich das verselbstständigen. Ursprünglich gab es in Coburg eine digitale Ideensammlung, doch schnell wurde klar: Sichtbarkeit allein reicht nicht, echte Vernetzung fand kaum statt. Kommunikation lief über E-Mails oder WhatsApp, eine übergreifende Zusammenarbeit war schwierig. Als die nächste Förderperiode begann, war klar: Eine Community-Plattform musste integraler Bestandteil werden. Neben der digitalen Vernetzung gibt es den physischen Zukunftsraum in Coburg, wo Projekte entstehen und sich Menschen austauschen. Unser Motto dabei ist: Es braucht nicht einige, die vieles tun, sondern viele, die einiges tun. Außerdem denken wir über die Stadt hinaus. Coburg ist ein Mittelzentrum, aber auch das Umland soll eingebunden werden. Ziel ist, dass die App als Basis für weitere Projekte dient, ohne dass wir sie aktiv steuern.
»Die Plattform erleichtert kollaboratives Arbeiten.«
Seht ihr den Mehrwert von coapp also auch in seinem prozessorientierten Ansatz? Dass es nicht nur um fertige Projekte geht, sondern um die Weiterentwicklung von Ideen und das Teilen von Ressourcen?
Alba Mojak: Genau. Coapp soll auch dokumentieren, was entsteht. Oft bleibt nach einem geförderten Projekt wenig Sichtbares zurück. Die App zeigt nicht nur Ergebnisse, sondern auch den Weg dorthin – wie neue Freundschaften entstehen oder sich Gruppen formieren. Zudem wissen viele nicht, wie sie ihre Vorhaben realisieren können. Die Plattform erleichtert kollaboratives Arbeiten. Optimalerweise nutzen unsere Mitglieder digitale und analoge Wege gleichermaßen.
Sylvia Endres: Unser Verein existiert seit über 20 Jahren und setzt sich dafür ein, Design als Wirtschaftsfaktor in der Region zu etablieren. Es gibt noch viel ungenutztes Potenzial. Formate wie die Designtage oder »Erfolg durch Design« wie Unternehmen Designstrategien nutzen. Kooperationen mit der Hochschule Coburg helfen zudem, junge Talente in die Praxis einzubinden.
Apropos Bleibeperspektiven, weil gerade das Wort Hochschule fiel: Erlebt ihr im Austausch mit Studierenden, dass sie Lust haben, in der Region zu bleiben?
Sylvia Endres: Genau, das ist auch unser Vereinszweck: Vernetzung und Nachwuchsförderung. Durch unsere Plattform entstehen Kontakte zu Unternehmen, was oft zu studentischen Projekten führt – wie mit Benkert (Außenmöblierung) oder ELEO (Pavillons und Hochbeete). Solche Kooperationen stärken das kreative Ökosystem hier.
Wir sind keine Garantie, dass jemand bleibt, aber eine Bereicherung für die Zeit hier. Wenn jemand später zurückkehrt, erinnert er sich vielleicht an den kreativen Geist, den wir hier etabliert habe – etwa Güterbahnhof als Kulturort oder an Veranstaltungen auf dem Gelände wie eben die Designtage. Ein lebendiges Umfeld zählt bei Standortentscheidungen.
Ihr seid mit viel Herzblut dabei, wie man deutlich merkt. Was war euer persönlicher Antrieb, euch zu engagieren?
Alba Mojak: Mein Berufseinstieg im Designforum war perfekt: Ich kann Kreativität mit sinnstiftender Arbeit verbinden. Projekte zu entwickeln, die einen Mehrwert schaffen, macht einfach Spaß.
Sylvia Endres: Ich komme aus der Wirtschaft und habe viele Jahre in Werbeagenturen gearbeitet. Nach einer schlechten Erfahrung in der Unternehmenswelt wollte ich etwas Sinnvolles machen. Der Verein suchte eine Macherin – nachhaltige Projekte, die wirklich etwas bewirken, das hat mich gereizt. Auch das direkte Miteinander ist mir wichtig – ohne persönlichen Austausch wäre meine Motivation im Keller.
Kreative stehen ja insgesamt für Selbstwirksamkeit, weil sie etwas gestalten, das wirklich existiert. Vernetzung ist essentiell, um Design nicht als elitären Zirkel erscheinen zu lassen, sondern als Teil einer offenen Community. Könnt ihr noch ein Erfolgsrezept für eine funktionierende Community mit mir teilen?
Sylvia Endres: Ohne eine aktive Gemeinschaft geht es nicht. Eine Community kann Dinge in Bewegung setzen, die sonst undenkbar wären.
Alba Mojak: Man merkt sofort, ob eine Community authentisch ist oder nur ein Marketing-Tool. Transparenz ist entscheidend. Wenn die Menschen, die eine Plattform oder ein Produkt entwickeln, es auch selbst nutzen, entsteht eine echte Gemeinschaft.
Sylvia Endres: Unserer Erfahrung nach kann eine Community nur wachsen, wenn sie sich weiterentwickelt und auf die Bedürfnisse ihrer Mitglieder eingeht. Gerade in Zeiten, in denen viele sich von großen Tech-Konzernen abwenden und nach lokalen Alternativen suchen, ist das wichtiger denn je. Eine Community ist dann stark, wenn sie auf Interaktion und gemeinsamen Zielen basiert, nicht nur auf Likes und Shares. Das ist auch unsere Vision für die Zukunft. Generell finde ich es bedenklich, wie sich Social-Media-Plattformen verändern. Es wird zunehmend unmoderiert und effektgesteuert. Ich glaube, das könnte langfristig viele Nutzer abschrecken.
»Für uns als Organisation ist es beruhigend, eine Lösung zu haben, die ohne großen technischen Aufwand funktioniert […].«
Seht ihr eine Chance in White-Label-Lösungen, die es Marken oder Communities wie eurer, eine eigene Gestaltung mit Hausfarben und Logos zu integrieren, ohne selbst eine App entwickeln zu müssen?
Sylvia Endres: Ja, total! Nicht nur spart es Zeit, es schafft auch direkt Wiedererkennungswert und Individualität.
Alba Mojak: (lacht) Wir haben am Anfang direkt gefragt: »Was können wir anpassen?« Dass wir eigene Logos oder ähnliches integrieren können, hat uns sehr geholfen, denn wir haben kein großes Budget – eine teure Eigenentwicklung wäre für uns nicht machbar gewesen.
Sylvia Enders: Für uns als Organisation ist es beruhigend, eine Lösung zu haben, die ohne großen technischen Aufwand funktioniert und Ansprechpartner, die bei Anliegen direkt erreichbar sind.
Eines der wichtigsten Projekte des Designforums war die Entscheidung, den Sitz des Vereins auf das Gelände der ehemaligen Porzellanfabrik Griesbach in Coburg zu verlegen – mit allen Herausforderungen und einem gewissen Maß an Abenteuer, das diese Entscheidung mit sich brachte. Hier wurde früher Porzellan gefertigt, später produzierte Goebel dort bis 1995 keramische Zier- und Nutzgegenstände. Nach Jahren des Leerstands begann Eigentümer Hans-Peter Langsch 2023 mit der baulichen Umgestaltung des Areals zur Kulturfabrik. Die Coburger Designtage fanden dort erstmals statt und trugen dazu bei, den Ort in der Region sichtbar zu machen. »Vorher wusste kaum jemand, dass es diesen Ort gibt«, erinnert sich Sylvia Endres. »Viele waren skeptisch, aber wir haben es einfach gemacht – mit Lichtinstallationen, Architekturprojekten, Gastronomie und Konzerten.« Das Event zog Tausende Besucher an und machte das Gelände weit über Coburg hinaus bekannt. Nach den Designtagen waren die von Hans-Peter Langsch angebotenen und vermieteten Flächen schnell vergeben. Es sei spannend zu sehen, wie eine Veranstaltung Stadtentwicklung vorantreiben kann, so das Team.
Mittlerweile ist das Designforum selbst in eine restaurierte Villa auf dem Gelände eingezogen. Das Obergeschoss wird noch renoviert, am 20. April wird Housewarming gefeiert. Ziel bleibt es auch hier, den Standort Oberfranken weiter zu etablieren und kreative Netzwerke zu fördern.